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Loosing Lodum

Englisches Ramsch von 1670

Wenn man unter einem Ramsch ein Stichspiel versteht, in dem die Kartenwerte dem «Ass 11, Zehn 10»-System entsprechen und es darum geht, möglichst wenig Wertkarten zu bekommen, dann ist das historische englische Kartenspiel Loosing Lodum eine frühe Variante des Ramsch.

Die einzige bekannte Beschreibung des Spiels findet sich in einem unveröffentlichten Manuskript von Francis Willughby, das um das Jahr 1670 entstanden ist. Das ist insofern bemerkenswert, als Spiele der «Ass 11, Zehn 10»-Gruppe auf den britischen Inseln historisch ein Schattendasein führen und Regeln für solche Spiele erst ab der 2. Hälfte des 19. Jh. in den Regelwerken zu finden sind.

Eine Rekonstruktion des Spiels bietet David Parlett. Diese hier ist unseres Wissens die erste deutsche Beschreibung. Ungekennzeichnete Zitate nach Willughby.

Spielregeln

Spielerzahl. Eine genaue Spielerzahl ist nicht angegeben. Die Spieler scheiden nacheinander aus, so dass zuletzt zwei übrig bleiben.

Spielmaterial. Es wird ein Romméblatt ohne Joker verwendet. Ausserdem benötigt jeder Spieler drei Marken.

Rang und Wert der Karten. Die Karten rangieren wie üblich von oben AKDB1098765432. «Loaders», Wertkarten, und ihr Kartenwert (Augen) sind A=11, K=3, D=2, B=1, 10=10, andere Karten zählen nichts.

Geben. Das Spiel geht linksherum. Der erste Geber wird gelost. Nach jedem Spiel ist der Spieler links neuer Geber. Der Geber mischt und lässt den rechten Spieler abheben. Jeder Spieler erhält die gleiche Anzahl Karten. Die Karten werden so ausgegeben, dass noch einige Karten übrig bleiben, die als Talon auf dem Tisch verbleiben. Genauere Angaben dazu macht Willughby nicht. Die oberste Karte des Talon wird später als Trumpf aufgeschlagen.

Spielziel. Jeder Spieler startet mit 3 Marken. Wer in seinen Stichen 31 oder mehr Augen hat, «ist draussen» («Beeing Out») und verliert eine Marke. Wer seine drei Marken verloren hat, scheidet aus. Wer zuletzt im Spiel bleibt, gewinnt die Partie.

Spiel der Karten. Vorhand, der Spieler links vom Geber, spielt zum ersten Stich. Jeder Spieler legt der Reihe nach ein Karte dazu. Die angespielte Farbe muss bedient werden, wer nicht bedienen kann, spielt eine beliebige Karte. Sobald es eine Trumpffarbe gibt, gewinnt den Stich der höchste Trumpf, sonst die höchste Karte der angespielten Farbe. Der Stichgewinner spielt zum nächsten Stich an.

Trumpfbestimmung. Zu Anfang, solange alle Spieler die angespielten Farben bedienen können, wird noch kein Trumpf aufgeschlagen. Sobald ein Spieler eine andere Farbe als angespielt spielt, wird die oberste Talonkarte kurz aufgeschlagen und allen gezeigt. Sie bestimmt die Trumpffarbe. Die Trumpfkarte wird dann wieder verdeckt, «that it may bee forgotten & mistaken afterwards» (auf dass sie danach vergessen und verfehlt werde). Wenn ein Spieler die Trumpffarbe vergisst und einen Stich annimmt, weil er die höchste Karte der angespielten Farbe gespielt hat, obwohl auch Trumpf gespielt wurde, ist das sein Pech, er hat den Stich «verschluckt» («but swallows the trick that should have bene wun by the trump»).

Kartentausch. Ein Spieler, der eine Wertkarte hält, kann anbieten, diese mit einem anderen Spieler zu tauschen. Es dürfen Bilder mit Bildern und Asse und Zehner mit Assen und Zehnern getauscht werden. Ein Bildertauschangebot wird mit «A Coate for a Coate» (ein Bild für ein Bild) angesagt, Ass oder Zehn mit «A Card for a Card» (eine Karte für eine Karte), um welche Karte genau es sich handelt, wird nicht angesagt. Der Anbieter kann das Tauschangebot nicht rückgängig machen, wenn ihm die von einem Tauschwilligen angebotene Karte nicht passt. Stellt sich allerdings heraus, dass beide Karten dieselbe Farbe haben, dann wird der Tausch wieder rückgängig gemacht. Willughby notiert, dass es taktisch sinnvoll sein kann, Karten anzubieten von deren Farbe der Spieler nur diese eine Karte hat.

Willughby macht keine genauen Angaben, wie der Tausch gehandhabt wird. Am einfachsten wäre wohl, dass der Anbieter eine Karte verdeckt auf den Tisch legt und seine Ansage macht. Ein Spieler, der den Tausch annimmt, legt ebenfalls eine Karte verdeckt auf den Tisch. Dann tauschen beide die verdeckten Karten bzw. geben sie nach Ansicht zurück, wenn sie die gleiche Farbe haben.

Willughby diskutiert nicht den Fall, dass mehr als ein Spieler den Tausch annehmen möchte. Man kann es so handhaben, dass von Anbieter an linksherum der Reihe nach gefragt wird.

Spielende und Anfechtung. Sobald ein Spieler 31 Augen in seinen Stichen hat, endet das Spiel und der Spieler hat eine Marke verloren. Passiert das nicht, und alle Karten sind abgespielt, dann verliert der (bzw. bei Gleichstand alle) Spieler mit den meisten Augen eine Marke. Hat ein Spieler 31 Augen und vermutet, ein anderer habe vor ihm 31 Augen gemacht, kann er den Verlust anfechten, indem er den Verdächtigen auffordert die Stiche zu zählen («hee challenges him to show his trick»). Hat der Verdächtige 31 oder mehr verliert dieser, sonst der Anfechter.

Partie. Nach und nach scheiden die Spieler aus der Partie aus, wenn sie ihre dritte Marke abgeben. Ein Spieler, der falsch bedient, scheidet sofort aus der Partie aus. Der Spieler, der zuletzt übrig bleibt, gewinnt die Partie.

Anmerkungen

Name. Das «Loosing» (heutige Schreibweise: losing) bezeichnet, dass es darum geht, Karten nicht zu gewinnen, sondern zu verlieren. Was «Lodum» heisst, ist nicht ganz klar, und es gibt viele Schreibweisen, wie «Lodam», «Loadum», «Loadem» u.a. Es könnten die Wertkarten, Loaders, gemeint sein, die zu stechen man vermeidet. Das wäre dann Losing Loaders, «Weg mit den Werkarten».

Eine andere Möglichkeit wäre, dass «Lodum» eine Verballhorung von «load’em», also «schmier sie» (mit Wertkarten voll), ist, und ein Spieler verliert, Loosing, wenn er mit solchen Karten «vollgeschmiert» wurde.

Rangfolge der Karten. Parlett meint, die Zehn folge auf das Ass. Er schreibt:

«Willughby does not state whether the Ten ranks between Ace and King or between Jack and Nine, but the order in which he specifies their values is Ace, Ten, King, etc., […]».

In der Beschreibung von Willughby folgt allerdings der Bube auf die Zehn und dann in umgekehrter Reihenfolge Dame und König:

«The Loaders are, every ace = 11, everie ten = 10, everie Knave = 1, everie Queen = 2, everie King = 3, and all the rest of the cards signifie nothing.»

Aus der weiteren Beschreibung geht dann klar hervor, dass die Reihenfolge der Bilder von oben KDB sein muss. In seiner Einleitung zu den Kartenspielen macht Willughby deutlich, dass B die 10 sticht. Es gibt keinen Hinweis, dass es sich bei Loosing Lodum anders verhält.

John McLeod weisst ausserdem auf folgende Passage hin:

«A king, ace or dangerous card is said to bee garded when hee that has it, has a duce, trea or some little card besides.»

Da Willughby die niedrigsten Ränge, 2, 3, als Beispiele für die Deckung von Ass und König nennt, ist klar, dass dies die höchsten Karten sind. Wenn die Zehn gleich nach dem Ass käme, wäre sie ein besseres Beispiel für eine «gefährdete Karte».

Nach Parlett gab es um die Zeit von 1670 einen erheblichen Einfluss aus den Niederlanden auf die englische Spielkultur. In den Niederlanden finden sich bis heute Jass-Spiele wie Boonaken und Pandoeren, die in den Nichttrumpffarben genau den im Regelwerk angegebenen Rang und Wert haben. In niederländischen Regelwerken aus dem frühen 19. Jh. gilt das für alle beschriebenen Jass-Varianten. Allerdings ist eigentliche Charakteristikum vom Jass, die Erhebung von Trumpf-Bube und -Neun zu höchsten Trümpfen, mutmasslich erst später entstanden, denn Jassspiele sind historisch in England nicht bekannt.

Kartenpaket. Willughby schreibt ausdrücklich, dass 52 Karten verwendet werden. Wenn allerdings nur wenige Karten (3 bis 7) im Talon bleiben sollen, wäre das bei 2 oder 3 Spielern unbequem (23 bzw. 16 Karten pro Spieler). Man könnte so spielen, dass 2 bis 4 Spieler ein Skat/Préférence-Blatt (32 Karten ohne 2er bis 6er) verwenden. Eine grössere Spielrunde verwendet bequem zwei Kartenpakete: Man beginnt mit 52 Karten und wechselt zu 32, nachdem der 5. Spieler ausgeschieden ist.

Spieler Karten Hand Talon
2 32 13 6
3 32 9 5
4 32 7 4
5 52 9 7
6 52 8 4
7 52 7 3
8 52 6 4

Völlig anachronistisch wäre es nicht, mit gekürztem Blatt zu spielen. Willughby beschreibt jedenfalls Spiele mit gekürztem Blatt (Gleek ohne 2er und 3er, Beast mit Skatblatt) und das Spiel Piquet mit Skatblatt (von Willughby nicht beschrieben) hatte damals in England, wie auf dem Kontinent, ein hohes Prestige. Ganz allgemein war es damals schon bei Augenstichspielen gängige Praxis, «wertlose Karten» zu entfernen, um das Spiel schneller zu machen.

«Winning Loadum». «Ich sah nie jemanden Winning Loadum spielen, nehme jedoch an, dass es einfach das Gegenteil zu Loosing ist, indem den Spielern zunächst keine Marken gegeben werden, aber dass jemand, der hinreichend Stiche gewinnt, um 31 in ihnen zu haben, wobei nur die Wertkarten zählen, eine Marke erhält, und dass derjenige, welcher 31 oder die meisten Augen unter 31, zuerst 3 mal bekommt, alle Einsätze gewinnt.» (Willughby)

Das wären in der Tat der Sache nach ein positives Spiel der riesigen «Ass 11, Zehn 10»-Gruppe, deren Vertreter es allerdings, bis auf Ausnahmen wie Bézique im 19. Jh., historisch nicht auf die britischen Inseln geschafft haben, wenn man nach den gedruckten Regelwerken geht.

Quellen

Parlett = David Parlett. «Loosing Lodam». Historic Card Games, 2022 (augerufen am 24. Okt. 2022).

Willughby = Francis Willughby, Manuskript 1665–70 in der Middleton Collection, Hallward Library, University of Nottingham. Veröffentlicht in: David Cram, Jeffrey L. Forgeng and Dorothy Johnston. Francis Willughby’s Book of Games. Abingdon, Oxon 2003, Routledge.

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© John McLeod, 2023. Version aktualisiert am: 30. März 2023

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