Cicera
Dieses Regelwerk basiert auf Mitteilungen von Virgilio Ferrari.
Cicera ist ein Angelspiel aus der italienischen Provinz Brescia. Das Spiel hat einige Ähnlichkeit mit dem populären Spiel Scopone (siehe aber die Schlussbemerkung).
Karten
Cicera wird mit den 52 Karten des italienischfarbigen Bresciane-Bildes gespielt. Das Spiel ist der Grund dafür, dass dieses Bild 52 Karten enthält. (Die meisten anderen Kartenbilder Italiens haben nur 40 Karten. Das Trevisane hat allerdings ebenfalls 52 Karten; mit diesem Bild wird Scaraboción gespielt, ebenfalls ein Angelspiel.) Die Zusammensetzung des Bildes ist in den vier Farben Münzen (denari), Kelche (coppe), Schwerter (spade) und Stäbe (bastoni) von oben nach unten:
König (re), Pferd (cavallo), Bube (fante), 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, Ass (asso).
Spieler, die ausserhalb von Brescia wohnen, grad keine Bresciane-Karten zur Hand haben, und erstmal wissen wollen ob ihnen das Spiel zusagt, bevor sie sich die Karten besorgen, können zur Not Rommékarten verwenden. Dann vertritt die Dame das Pferd und die Farbentsprechungen wären Münzen = , Kelche = , Schwerter = und Stäbe = .
Spieler
Es spielen 4 Personen in zwei Parteien, die Partner sitzen einander gegenüber. Das Spiel geht rechtsherum, gegen den Uhrzeigersinn.
Geben
Der erste Geber wird gelost, nach jedem Spiel ist der Nächste rechts neuer Geber. Der Geber mischt die Karten und lässt den Spieler links abheben.
Jeder erhält ein Paket aus 12 Karten auf einmal, die letzten 4 Karten werden offen auf den Tisch gelegt. Die Spieler nehmen ihre Karten in die Hand und gucken sie sich an ohne sie den anderen Spielern zu zeigen.
Spiel der Karten
Der Spieler rechts vom Geber fängt an und spielt eine seiner Handkarten. Er kann ggf. eine oder mehrere Tischkarten fangen. Die Fangkarte und die gefangenen Karten werden verdeckt vor einem der beiden Partner aufbewahrt. Sollte der Spieler keinen Fang machen wollen oder können, wird die gespielte Karte dem Tisch offen hinzugefügt. Danach ist der Spieler rechts dran. So geht das, bis alle Karten gespielt wurden.
Regeln für den Kartenfang:
- Der Fangwert der Nummernkarten Ass bis 10 entspricht ihrem Nennwert (A = 1).
- Die Bilder haben keinen numerischen Fangwert.
- Jede Karte kann eine ranggleiche Karte fangen.
- Eine Nummernkarte kann mehrere numerische Karten fangen, wenn deren Wertsumme gleich dem Nennwert der Fangkarte ist.
- Hat ein Spieler mehrere Fangmöglichkeiten, dann darf er nur eine davon wahrnehmen, kann sich aber aussuchen, welche.
- Fangen ist keine Pflicht. Die gespielte Karte kann einfach dem Tisch hinzugefügt werden, selbst wenn sie einen Fang machen könnte.
- Falls am Ende, wenn alle ihre Karten gespielt haben, noch Karten auf dem Tisch liegen, erhält diese derjenige, welcher den letzten Fang im Spiel gemacht hat.
NB. Ein «Stapeln» (building), wie vielleicht von Casino oder Zwickern bekannt, gibt es nicht.
Wertung
Ereignispunkte
Folgende Punkte können während des Spiels der Karten gemacht werden (Name der Wertung im Brescia-Dialekt, in Klammern italienisch und deutsch):
Scùa (Scopa, Besen). Ein Punkt für das Leerfegen des Tisches, d.h. wenn nach dem Fang keine Karten mehr dort liegen.
Picada (Picchiata, Schlag). Ein Punkt dafür, die vom linken Gegenspieler soeben gespielte Karte mit einer gleichrangigen Karte wegzufangen.
Simili (Ähnlichkeit). Ein Punkt, wenn Fangkarte und gefangene Karten alle die gleiche Farbe haben.
Quadriglia (Vierling). Ein Punkt für das Fangen von 3 oder mehr Karten (also 4 oder mehr inklusive der Fangkarte).
Es ist möglich mit einem Fang mehr als einen dieser Punkte gleichzeitig zu machen. Beispiel: Münz-2-3-4 liegen auf dem Tisch, Münz-9 fängt: Ein Punkt für Simili, einer für Quadriglia. Sollte der Tisch danach leer sein, sogar noch einer für Scua, insgesamt 3 Punkte. Oder: Der Spieler links spielt einen König zum leeren Tisch, der nächste fängt ihn mit einem König und macht den Tisch gleich wieder leer: 2 Punkte = 1 Punkt für Scua + 1 für Picada.
NB. Es ist nicht möglich 4 Punkte auf einmal zu machen, da Picada ein Fang mit einer gleichrangigen Karte ist, Simili und Quadriglia dagegen mit numerisch gleichwertigen.
Es ist möglich, dass der Spieler, der den letzten Fang des Spiels gemacht hat, dabei Ereignispunkte markiert. Für die übrig gebliebenen Karten, die er bekommt, weil er den letzten Fang gemacht hat, gibt es keine Ereignispunkte (wenn diese z.B. alle die gleiche Farbe haben sollten, es mehr als drei sind usw.).
Die Ereignispunkte werden markiert indem eine den Punkten entsprechende Zahl von Karten des Fangs offen vor den Spieler gelegt werden, der die Karten für seine Partei sammelt.
Kartenpunkte
Nach dem Spiel werden folgende Punkte vergeben:
Kartenmehrheit. 2 Punkte für die Partei, die mehr als 26 Karten gewonnen hat. Wird bei 26:26-Gleichstand nicht vergeben.
Schwertermehrheit. 1 Punkt für die Partei mit 7 oder mehr Schwerter-Karten ().
Napula. Für 3 oder mehr Karten der lückenlosen Schwertersequenz vom Ass an gibt es die Länge der Sequenz als Punkte. Zum Beispiel wäre Schwert-A-2-3-4-5-6 und 8 6 Punkte wert (plus 1 für die Schwertermehrheit).
La Mata. 1 Punkt für die Schwert-2 (2).
Dieci di denari. 1 Punkt für Münz-10 (10).
Fante di coppe. 1 Punkt für Kelch-Bube (B).
Partie
Es wird gespielt bis wenigstens eine Partei 51 erreicht oder überschreitet und damit gewinnt. Tun das beide Parteien gleichzeitig, gewinnt wer nach Spielende mehr Punkte hat. Wenn immer noch Gleichstand herrscht werden weitere Spiele gespielt bis der Sieger feststeht.
Varianten
Statt jedem die 12 Karten auf einmal zu geben, werden die Karten auch reihum einzeln, oder in 2er- oder 3er-Paketen verteilt.
Es gibt eine Variante, bei der zunächst jedem Spieler nur 6 Karten gegeben werden und wiederum 4 offen auf den Tisch kommen. Sind die 24 Handkarten abgespielt, erhält jeder nochmal 6.
Schlussbemerkung
In der Einleitung wurde notiert, Cicera habe Ähnlichkeit mit Scopone. Bemerkenswert sind allerdings auch die Ähnlichkeiten mit Scarabocion und frühen Varianten von Casino:
- Es werden 52 Karten verwendet (Scopone: 40),
- die Bildkarten haben keinen numerischen Fangwert (Scopone: Bube = 8, Dame/Pferd = 9, König = 10; dass man den Bildern numerische Werte zuzuordnen könnte, wurde wurde in Berlin um 1810 sozusagen «wiederentdeckt»),
- die Wertkarten sind Münz/10 und Schwert/2 (Scopone: Münz/7),
- die Farbe Schwerter/ spielt eine Schlüsselrolle in der Wertung (Scopone: Münzen/),
- es fehlt ein Wertungselement entsprechend der Primera bei Scopone.
Die Möglichkeit Karten zu «stapeln» (building), die es in heutigen Casino-Varianten gibt, hatten weder frühe Formen von Casino, noch haben es Cicera, Scarabocion oder Scopa/Scopone und deren Ableger. Dieses Spielelement taucht Ende des 19. Jh. in den Spielbüchern auf.
Weblinks
Auf Tretre gab es Regeln für Cicera auf Italienisch. (Archivlink)
Thanatos hat ein Freeware-Programm zum Download.