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Kosel und Bura

Kosel (Козлы́, Ziege) und Bura (Бура, Bohrer) sind russische Augenstichspiele mit Trumpf aus der grossen «Ass 11, Zehn 10»-Familie. Besonderheit der folgenden Spiele ist, dass mehr als eine Karte zugleich angespielt werden kann. Man kennt das sonst eher aus ostasiatischen Spielen.

Zuerst wird eine Variante von Kosel vorgestellt, bei der Punkte gewonnen werden. Danach die Geldspiele Kosel und Bura, bei denen es um einen Pott geht.

Insbesondere von den Geldspielen wird gesagt, dass sie im Milieu von Gefängnissen und ehemaligen Insassen gespielt werden. Entsprechend sollte man vorsichtig sein, wenn man in Bereich der ehem. Sowjetunion mit Unbekannten spielt.

Kosel um Punkte

Die Regeln wurden von Alexander Twaladse beschrieben.

Spielmaterial

Ein Kartenspiel mit 36 Karten in französischen Farben wird verwendet. Die Symbole auf russischen Karten sind: T = Ass (туз, tuz, vom dt. Daus via poln. tuz), К = König (король, korol), Д = Dame (дама, dama), В = Bube (валет, valet). Die Farben heissen ♣ = треф (tref), ♠ = пики (piki), ♥ = червы (tscherwy), ♦ = бубны (bubny). Rang und Augenwert der Karten in jeder Farbe von oben am Beispiel von Karo:

11 10 4 3 2 0 0 0 0

(Im russ. Bild ist oft das Karo-Ass dekoriert, nicht das Pik-Ass, wie im internat. Bild. Quelle der Kartenbilder: Dmitry Fomin, «Atlasnye playing cards», Wikimedia Commons. Lizenz: CC0.)

Es gibt insgesamt 120 Augen.

Vom Skat borge ich im Folgenden den Begriff «Volle» für Asse und Zehnen.

Schocha (шоха).

Eine Ausnahme bildet die ♠6. Sie ist die immer die höchste Trumpfkarte und sogar eine Art Joker, ihr Augenwert bleibt jedoch 0.

Eine russische Übersetzung von «шоха» habe ich nicht gefunden. Google Translate gibt als tadschikische Übersetzung «Zweig» an. Das passt insofern, als sich die Kartenfarbe Pik historisch von Blatt/Grün im deutschen Bild ableitet. -- Schocha ist also das Zweiglein mit sechs Blättchen.

Spieler, Geben

Spieler. 2 oder 3 spielen jeder für sich, 4 spielen 2 gegen 2, die Partner sitzen einander gegenüber.

Spielrichtung. Linksherum, im Uhrzeigersinn.

Geben. Der erste Geber wird gelost. Nach jedem Spiel ist der Spieler links neuer Geber. Der Geber mischt, lässt den Spieler rechts abheben und verteilt dann linksherum einzeln an jeden 4 Karten. Die nächste Karte wird offen auf den Tisch gelegt und bestimmt die Trumpfkarte. Die restlichen Karten werden verdeckt als Stapel (Talon) quer auf die Trumpfkarte gelegt, so dass diese sichtbar bleibt.

Abspiel

Vorhand ist der Spieler, der zuerst eine Karte zu einem Stich spielt. Der Spieler links vom Geber ist erste Vorhand. Vorhand kann 1, 2, 3 oder 4 Karten gleicher Farbe anspielen oder 1, 2, oder 3 Karten gleicher Farbe und dazu ♠6.

Die nachfolgenden Spieler müssen die gleiche Zahl von Karten spielen, wie von Vorhand angespielt. Es gibt dabei keine Beschränkung (wie Farb- oder Stichzwang). Um den Stich zu gewinnen muss ein Spieler allerdings jede bisher stechende Karte mit einer besseren stechen. Farbkarten werden durch höherrangige Karten derselben Farbe oder Trumpf gestochen, Trümpfe durch höhere Trümpfe.

Schocha. Unschlagbar ist ein Anspiel das ♠6 enthält, und ebenso ein Folgespiel, wenn alle Karten schlagen und Schocha dabei ist.

Verdeckte Karten. Spieler, die den Stich nicht gewinnen können, müssen ihre Karten verdeckt spielen. Es ist immer erlaubt Karten verdeckt zu spielen. Verdeckt gespielte Karten können nie den Stich gewinnen. Spieler dürfen verdeckt gespielte Karten vor Spielende nicht ansehen, auch Stichgewinner nicht.

Stichgewinner sammeln die gewonnenen Karten für sich verdeckt ein und spielen, als neue Vorhand, zum nächsten Stich an. Vorher müssen alle Spieler der Reihe nach ihre Hand wieder auf 4 ergänzen, indem sie Karten vom Talon ziehen.

Ob jeder der Reihe nach einzelne Karten zieht, bis jeder wieder 4 hat, oder oder jeder gleich die ausgespielte Zahl, ist nicht angegeben. Die erste Methode stellt sicher, dass jeder die gleiche Kartenzahl hält, wenn der Talon zuende geht und nicht mehr für 4 Karten pro Spieler ausreicht.

Kartenkombinationen

Es gibt zwei Kartenkombinationen, mit deren Meldung ein Spieler das Recht zum Stich anzuspielen an sich ziehen kann:

Moskwa (Moskau). 4 Karten, die ausschliesslich aus Vollen (Asse und Zehnen) bestehen, oder Volle plus Schocha (als Vertreter einer Zehn). Es muss jedoch wenigstens ein echtes Ass darunter sein.

Molodka (Junge Dame). Vier Karten derselben Farbe (nicht zwingend Trumpf) oder drei und dazu ♠6.

Haben mehrere Spieler eine solche Kombination, dann geht Moskwa vor Molodka. Haben die fraglichen Spieler eine gleichrangige Kombination, dann hat der Spieler nächst Vorhand den Vorrang.

Beispiel für einen Stich.

Alina und Gelja spielen gegen Boris und Daniil. Alina hat die Vorhand.

  Trumpfkarte  
   
Spieler spielt Augenwert
Alina spielt an 11+4+2 = 17
Boris sticht mit 0+0+3 = 3
Gelja sichert
den Stich
mit Schocha
0+4+10 = 14
Daniil muss seine
Karten verdeckt
spielen, da er
nicht stechen kann
unbekannt

Der Wert des Stichs ist 34 Augen plus dem unbekannten Wert der verdeckt gespielten Karten. Die Spieler ergänzen ihre Hand wieder auf 4 Karten und Gelja spielt an, es sei denn jemand anderes meldete Moskwa oder Molodka und Gelja nichts wenigstens Gleichwertiges.

Wertung

Wenn alle Karten abgespielt sind, verteilen sich die 120 Augen auf zwei oder drei Parteien.

Es werden Strafpunkte geschrieben.

Die Partei, die mehr Augen gewonnen hat als alle anderen, schreibt keine Strafpunkte.

Wenn es zwei Parteien gibt, schreibt eine Partei mit 60 oder weniger Augen 2 Punkte (d.h. beide Parteien, wenn beide 60 Augen haben). Hat eine Partei weniger als 31 schreibt sie 4 und wenn sie keinen Stich hat 6 Punkte.

Wenn es drei Parteien gibt, schreiben die Verlierer 2, mit weniger als 21 Augen 4 und ohne Stich 6 Punkte. Es kann passieren, dass zwei oder drei Spieler die gleiche höchste Augenzahl haben, dann schreiben alle 2 Punkte.

Die Partie geht auf 12 Strafpunkte, wer sie erreicht oder überschreitet, scheidet aus.

Wird zu dritt gespielt und ein Spieler scheidet aus, dann spielen die beiden anderen zu zweit weiter. Erreichen zwei Spieler die 12 gleichzeitig, dann hat der dritte gewonnen.

Wenn alle aktiven Parteien die 12 gleichzeitig erreichen, dann gewinnt die Partei mit den wenigsten Punkten. Herrscht hier Gleichstand, dann setzen die fraglichen Parteien das Spiel fort, bis es eine Entscheidung gibt.

Die Geldspiele Bura und Kosel

Diese Spiele wurden von Alexej Lobaschew mitgeteilt. Zuerst Bura.

Spieler

Typischerweise nur 2, es sind aber bis zu 6 möglich. Jeder spielt für sich allein.

Karten, Pott

Es wird mit 36 Karten in der o.a. Reihenfolge mit den o.a. Werten gespielt. Die ♠6 spielt keine besondere Rolle, sondern ist einfach die niedrigste Pikkarte.

Es gibt einen Pott, in den jeder Spieler den gleichen Betrag einzahlt.

Spielablauf

Jeder Spieler erhält drei Karten, die einzeln gegeben werden. Die nächste Karte wird als Trumpf aufgeschlagen. Auf den Trumpfanzeiger werden die übrigen Karten als Talon verdeckt gelegt.

Wie im Kosel können eine oder mehrere Karten gleicher Farbe angespielt werden (hier maximal 3 Karten), wie dort muss ein Spieler die gleiche Zahl spielen, wobei die Farben beliebig sind, und gewinnt, indem er alle Karten des bisher besten Kartensatzes schlägt.

Nach jedem Stich ergänzen die Spieler ihre Hand wieder auf 3 Karten.

Variante: Verdeckte Karten. Ein Spieler, der den Stich nicht machen kann oder will, spielt seine Karten verdeckt, wie oben beschrieben.

Kombinationen

Bura. Hat ein Spieler drei Trumpfkarten, dann gewinnt er den Pott und das Spiel ist aus. Melden zwei oder mehr Bura, spielt der erste Bura-Halter von Vorhand ausgehend seine Bura, dann der Reihe nach die anderen Halter dieser Kombination. Wer von ihnen den Stich macht, gewinnt das Spiel.

Drei Asse oder Molodka (drei Karten derselben Farbe). Wer dies meldet, spielt zum Stich an. Drei Asse sind besser als Molodka. Wenn es mehrere Molodkas gibt, dann spielt von denen der erste von Vorhand an.

Varianten. Es gibt Runden, bei denen gewinnen auch drei Asse den Pott. Andere spielen ohne drei Asse oder sogar ohne Molodka.

Spielende

Wenn das Spiel nicht durch Bura gewonnen wurde, gewinnt wer zuerst 31 oder mehr Augen hat und dies ansagt. Spieler dürfen ihre Karten nicht vor der Ansage nachsehen. War die Ansage falsch (30 oder weniger Augen in den Stichen), muss der Ansagende den Pott verdoppeln. In jedem Fall gibt der Ansagende zum nächsten Spiel. Sollte kein Spieler 31 Augen ansagen, dann gibt es keinen Gewinner und derselbe Geber gibt zu einem neuen Spiel.

Kosel

  • Bis zu 5 können spielen, jeder Spieler bekommt 4 statt 3 Karten.
  • Es dürfen entweder 1 oder 3 Karten angespielt werden, nicht 2 oder 4.
  • Bura (weiterhin drei Trumpfkarten) oder 4 Asse auf der Hand gewinnen den Pott.
  • Wenn niemand mit Bura oder 4 Assen gewinnt, dann werden alle Karten abgespielt (wie bei Kosel um Punkte) und wer die meisten Augen hat, gewinnt. Bei Gleichstand wird der Pott geteilt.

Was passiert, wenn mehrere Spieler Bura oder Asse halten, ist nicht überliefert. Entweder gewinnt von denen, wer nächst dem Anspieler sitzt, oder der Pott wird geteilt. Es mag Spielrunden geben, in denen 4 Asse mehr gelten als Bura.

Skat-/Préférence-Blatt

Lobaschew gibt an, dass mit 32 Karten (ohne 6er) gepielt werden kann. Leider nennt er keine Details. Insbesondere ist nicht klar was passiert, falls die Kartenzahl nicht aufgeht, wenn die Spieler die letzten Karten ziehen (das gilt auch für 36 Karten und 5 Spieler). Ich sehe folgende Möglichkeiten:

  1. Man entferne soviele 6er bzw. 7er, dass das Spiel aufgeht: Bei 36 Karten und 5 Spielern eine 6, es bleiben 35 Karten; bei 32 Karten und 3, 5 oder 6 Spielern zwei 7er, es bleiben 30 Karten. Unpraktisch ist das allerdings, wenn die Spieler nacheinander ausscheiden und man die Kartenzahl verändern muss.

  2. Es werden keine Karten entfernt. Die Spieler ziehen vom Talon reihum einzelne Karten. Es bleiben evtl. Spieler mit einer Karte zuwenig übrig. Da jede gespielte Karte geschlagen werden muss, um einen Stich zu gewinnen, haben diese Spieler ggf. am Ende Pech, weil sie dafür zuwenig Karten halten.

  3. Es werden keine Karten entfernt. Die Spieler ziehen vom Talon reihum einzelne Karten. Wenn nicht für alle Spieler Karten übrig sind, dann bleiben die restlichen Talonkarten liegen. Was am Ende mit ihnen passiert, wäre Abmachungssache. Zum Bsp. bekommt sie der Gewinner des letzten Stichs. Spielt man mit verdeckt gespielten Karten, dann würde die verdeckt übrig bleibende Karte beim Spiel mit Skatblatt nicht aufgedeckt bevor der Gewinn angesagt wird. (Die umgedrehte Trumpfkarte ist ja sichtbar.)

Dem «Geist» des Spiels entspricht evtl. die 2. Variante am Besten. Jedenfalls gibt es einen zusätzlichen Anreiz, den letzten Stich zu gewinnen, der zur Aufnahme der Trumpfkarte und zum vollzähligen Blatt führt. -- Nicht nur in russischen Gefängnissen gilt mutmasslich, «den Letzten beissen die Hunde»…

Wollte man Kosel um Punkte mit Skatkarten spielen, dann würde man wohl die ♠7 zum Zweiglein ernennen.

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Verantwortlich für die englischsprachige Version dieser Webseite: John McLeod, john@pagat.com. Deutsche Fassung von Ulf Martin
© John McLeod, 2023. Version aktualisiert am: 10. Aug 2023

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